Tauchgänge
Johanniterkirche Feldkirch
14 Skulpturen
13. November 2021 —
19. Februar 2022
Frühere Standorte der Installation:
Basel, Filter 4
Düsseldorf, Malkasten
Lausanne
Zürich Max Frisch Bad
Gotthard Passhöhe
Werkinfo:
E R D T A U C H E R
Entstehungsjahr, 2012
0-Serie / insgesamt 18 Ex.
Beton, Farbe
Masse Ausgangsfigur, Ursprungsform:
H 90 x B 91,2 x T 58 cm
Freidimensionale Tauchgänge
Länge, Breite, Höhe. Mit den drei Raumdimensionen erklären wir uns das Universum. Tauchen hat in dieser Vorstellungswelt etwas mit Wasser zu tun, auf jeden Fall mit Flüssigkeit. Nicht so bei Max Grüter. Er ist freidimensio-nal unterwegs und führt uns mit seinen Erdtauchern vor Augen, wie relativ Wirklichkeit und Wahrnehmung sind. Zwischen 75 und 250 Kilogramm wiegen die Köpfe aus Beton, die aus dem rauen Boden der Kirche auftauchen.
Witzig, überraschend und unheimlich zugleich durchschwimmt die figurative Versuchsanordnung die vielschichtige Materie des sakralen Raums und verflüssigt die gewohnte Matrix unserer Vorstellungskraft. Max Grüter: „Mit meinen Skulpturen lehne ich mich gegen die Schwerkraft auf. Es ist eine subversive Befragung des Seins." Die Figuren haben alle dieselbe Grundform. Durch die variable Gusstechnik ist jedoch jede Skulptur individuell. Mit der Taucherbrille sind sie scheinbar gut ausgestattet, wirken aber trotzdem ratlos und verloren.
Entstanden ist die Serie der Betonskulpturen für eine Installation auf dem Gotthardpass in der Schweiz. Dort waren die Erdtaucher den hochalpinen Naturgewalten ausgesetzt. In Feldkirch in Österreich schafft Max Grüter mit den Figuren neue Bezüge zur geschichtsträchtigen Architektur eines außergewöhnlichen Kirchenraumes: „Ich sehe die Erdtaucher als Wanderer, die an verschiedenen Orten mit der Umgebung in Dialog treten. In dieser Ausgrabungsstätte durchwirken sie wie ein Quergedanken Religion, Geschichte und Archäologie." Die schwerelosen Erdtaucher sind Figuren des künstlerischen Universums von Max Grüter. Der Kalte Krieg zwischen den Westmächten und dem Ostblock, Juri Gagarin 1961 als erster Mensch im Weltall und die Mondlandung von Neil Armstrong 1969 waren prägende Ereignisse in der Jugend des 1955 geborenen Künstlers. Die Raumfahrt und ihre Formensprache beeinflussen seine Kunst bis heute. Seit 1995 entwirft der gelernte Grafiker seine Werke ausschließlich digital. „Bei mir entsteht alles am Computer. Im digitalen Raum kann ich alles durchdringen und die Festigkeit der Materie hinterfragen."
Auch der Künstler selbst ist in die Virtualität aufgebrochen. Sein virtuelles Alter
Ego ist der 3D-Charakter eines Astronauten - spielerische Erkenntnissuche mit ganzheitlicher Perspektive: „Kunst ist für mich eine Lebensform. Ich bin der erste selbsternannte virtualisierte Raumfahrer und mein Atelier ist die tiefgele-genste Raumstation im Erdorbit", erklärt Max Grüter: „Wir sind alle Astronauten.
Unser Leben ist eine Raumfahrt auf der Erdkugel. Vielleicht ist der Körper ein Auslaufmodell und es bilden sich bald andere Formen der Existenz. Auf jeden Fall müssen wir dringend schauen, dass wir die großen Fragen lösen, bevor unser Planet kaputt geht."
© Karin Guldenschuh 2022